Kapitel VII

[one-half][dropcap]D[/dropcap]eutschland war besetzt und geteilt. Aber wie schon Richard von Weizsäcker in seiner viel beachteten Rede zum 40ten Jahrestag des Kriegsendes gesagt hatte: Das Land war befreit, befreit von der Last des Krieges und befreit “von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft”, dessen Greueltaten bis heute nachhallen.

Und während die Mächtigen der vier Mächte damit beschäftigt waren, über die Zukunft unseres Landes zu beraten, machten sich unsere Eltern und Großeltern daran, das Land wieder aufzubauen. Jeder sauber geklopfte Stein, jeder Eimer Schutt, der entsorgt wurde, brachte unser Land näher an die Normalität.

Auch die Jahre nach dem zweiten Weltkrieg waren alles andere als fette Jahre, aber man war Kummer gewohnt und alles war irgendwie besser, als das Brummen von Flugzeugmotoren und die Detonationen in den Bombennächten.

Das Leben ging seinen Weg und während aus einer besiegten Diktatur langsam und mit Bedacht eine Demokratie wurde, kam auch ein kleines bisschen Wohlstand zurück. Alte Unternehmen wurden neu aufgebaut und produzierten nicht nur Gegenstände für den täglichen Bedarf. Auch Unterhaltung war wieder gefragt und der Handel mit Radios und Plattenspielern boomte. Rundfunksender wurden gegründet und spielten Musik, verlasen neueste Nachrichten und mein Vater machte sein altes Hobby nun zu seinem Beruf. In der Zwischenzeit hatte mein Vater auch seine Mutter zu sich holen können, nun lebten beide in diesem kleinen Ort nahe Braunschweig, namens Leiferde.[/one-half][one-half last]

Eines Tages wollte auch der Cousin seines Freundes Otto ein neues Radio und so kam es, dass mein Vater zum ersten mal das Haus meiner Großeltern betrat. Die 50er Jahre hatten begonnen, überall brach ein klein wenig Wohlstand aus und meine Mutter, gerade erwachsen, machte auf meinen Vater mindestens genauso viel Eindruck, wie ihm mein Großvater Angst einflößte.

Aber ich denke, dass meinem Großvater relativ schnell klar wurde, was sich da anbahnte. Und auch, wenn er so tat, als würde er die Entwicklung nicht gerade mit Wohlwollen betrachten, so war ihm doch bewusst, dass meine Mutter ihren Willen durchsetzen würde und sie es außerdem weitaus schlechter treffen könnte, auch wenn mein Vater fünfzehn Jahre älter war.

Hatte ich eigentlich den Namen der Familie meiner Mutter erwähnt? Der Nachname meiner Großeltern war Kaese und das passt doch irgendwie gut zu den Niederlanden und Kooikerhondjes, oder?

Na jedenfalls hatte Ende der 50er Jahre mein Vater für sich und seine Mutter eine Wohnung in Braunschweig gemietet, war glücklich mit meiner Mutter liiert, wechselte nochmal den Beruf und baute einen Großhandel für Bauchemikalien auf, schließlich boomte der Bausektor erheblich. Noch mit über neunzig Jahren musste mein Vater beim Überfahren so mancher Autobahnbrücke in der Umgebung von Braunschweig grinsen, weil er an Betonzusätzen, Fugenbändern und allerlei anderem, was in dieser Brücke steckte, eine hübsche Stange Geld verdient hatte.[/one-half]

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