Und hier, die Nummer Vier!

Der Harz und ich – IV

Eine Geschichte, die im Wirtschaftswunder beginnt und deren Ende ich noch schreiben muss

[one-half]Als die Fünfziger langsam aber sicher in die Jahre kamen – man verzeihe mir dieses Wortspiel – wurde die Verbindung zwischen meinem Vater und meiner Mutter immer enger und fester und immer mehr zu einem offenen Geheimnis. Auch sonst veränderte sich so einiges: Die Kaufkraft, die Mode, die Autos und viele andere Dinge des alltäglichen Lebens. Nur der Harz blieb, was er schon zuvor gewesen, ein Rückzugsort für meine Eltern.

Nun wird sich der eine oder andere beim Lesen des vorletzten Kapitels vielleicht gefragt haben, ob Temperaturen und Schneemengen im Winter das Campen im Harz nicht ein wenig unangenehm hätten gemacht haben können. Zweifelsohne, aber gesellige Menschen wie meine Eltern freunden sich halt einfach mit einem Förster an und bekommen somit Zugang zu einer Jagdhütte, zünftig mit Bullerofen und allem Drum und Dran.

mama-papa-hütte

In so einer Hütte kann man es sich mehr als gemütlich machen und selbst umfallende Bäume stören dabei nicht allzu sehr, vor allem, wenn sie das eigene Auto verfehlen. Allerdings kann es ein bisschen dauern, bis der Baum wieder weggeräumt ist, aber zur Not verbringt man halt einen Tag mehr im heimeligen Umfeld der kleinen Holzhütte.

auto-baum

Auch damals fuhr man Ski. Allerdings gab es noch sehr wenige Lifte und so kam vor dem Vergnügen die Anstrengung, denn man musste erst einmal den Berg hinaufkraxeln, bevor man ihn wieder hinunter fahren konnte. Ich denke, die meisten Menschen haben eine Ski-Abfahrt damals mehr genossen.

mama-ski

[/one-half]

[one-half last]Es scheint mir heute manchmal so, als ginge es nur noch darum, auf einer Piste oder auch abseits davon, so schnell wie möglich den Berg hinunterzukommen und dabei so viel Probleme wie möglich zu haben und sie dennoch zu meistern. War es früher die Natur und die schönen Momente, ist es heute nur noch das Adrenalin, was am Wintersport reizt, schade.

Die Jahre vergingen, es gab weitere Freundschaften im Harz und schließlich kam das Schicksalsjahr 1965 und ich erblickte das Licht der Welt, meine Eltern heirateten, zogen zusammen und alles wurde irgendwie gut. Heute schaue ich zurück, betrachte die vielen alten Bilder und schwelge in Erinnerungen. In unseren Weihnachtsferien werden wir alte Dias gucken, so richtig mit Projektor und Leinwand und es wird bestimmt wundervoll.

Im Sommer 2015 kamen wir noch mehrmals zurück an den kleinen See, tobten mit unseren Hunden, machten Spaziergänge und entflohen manchmal auch einfach der schwülen Luft in Braunschweig. Es war am Ende eines solch warmen Tages, weit hinten am Horizont standen schon erste Gewitterwolken, Grillen zirpten und Mimi und Faye lagen müde im Gras. Ich dachte wieder einmal an früher, an meine Mutter und plötzlich fiel mir ein, was meine Mutter so gerne zum Abschluss eines solchen Tages getan hatte: Windbeutelessen!

Und wenn man wirklich richtig gute und große Windbeutel essen möchte, fährt man am Besten nach Schulenberg an der Okertalsperre. Das war kaum mehr als einen Steinwurf entfernt, also packten wir unser Zeugs und unsere Hunde ins Auto und fuhren dorthin. Im ehrwürdigen und wunderschönen Cafe Muhs waren wir samt Hunden willkommen und ich bin ehrlich, es gibt kein zweites Cafe im Harz mit einem solchen Ausblick: Okertalsperre, Brocken und das berühmte Torfhaus mit seinen Sendern.

Der Heimweg war etwas mühevoll, denn die Windbeutel sind wirklich riesig und mittendrin ist nicht nur Sahne, sondern auch noch Eis und Kirschen, da könnte man sogar ohne Auto ins Tal rollen. Der kleine Ort aber hatte es uns angetan. Der heutige Ort Schulenberg war erst Anfang der fünfziger Jahre erbaut worden, da das bisherige Dorf der Okertalsperre weichen musste.

okertal-ungeflutetEs war damals ein riesiges Ereignis, als die Bürger am 29. August 1954 den Wiesenberg hinaufzogen, in ihre neuen Häuser. Der „neue“ Ort ist aber keineswegs ungemütlich. Man hat darauf geachtet, ihn großzügig anzulegen, die Kirche bzw. Kapelle in einem klassischen Stil zu erbauen und es gibt keine Hochhäuser mit Flachdach. Und so fällt es kaum auf, dass dieser Ort nicht einfach so gewachsen ist, sondern in den fünfziger Jahren neu errichtet wurde. Die Freude am Harz und die Begeisterung für Schulenberg ließen eine Idee in uns wachsen und so begaben wir uns auf die Suche nach einer geeigneten Unterkunft für uns und unsere Hunde, um Urlaub zu machen. Zeitlich waren wir flexibel, aber es sollte ein Ferienhaus sein, es sollte ein umzäuntes Grundstück haben und es sollte in Schulenberg sein.

Auf uns wartete eine Aufgabe.[/one-half]

Nachtrag: Bilder zum Vergrößern anklicken. Alle Bilder sind zwischen 1955 und 1960 von meinem Vater im Harz gemacht worden.

One Comment

Hinterlasse einen Kommentar