Emmett, der Agressive?

Eins vorweg: Wenn man einen Hund aus dem Tierheim oder aus anderweitiger Notvermittlung aufnimmt, sollte man vorsichtig sein, das Verhalten des Hundes in den ersten zwei Monaten zu beurteilen. Die natürliche Verhaltensweise des Wolfs/Hundes beinhaltet bei einem Wechsel des Rudels die automatische Akzeptanz des untersten Ranges. Erst nach einigen Wochen beginnt dann die Neuorientierung und damit das Ausprobieren, womit Hund durchkommt.

Aber natürlich können gute Hundetrainer durch Beobachtung in verschiedenen Stresssituationen schon eine gewisse Ausrichtung im Verhalten feststellen. Zusätzlich können damit auch Traumata aufgedeckt werden. Werden diese Traumata durch bestimmte Situationen wieder aus dem „Verborgenen“ hervorgeholt, sind Beißvorfälle etc. ohne weiteres möglich.

Gestern war Birgit, unsere Hundetrainerin wieder da. Sie war von Emmett überaus begeistert. Selbst unter großem Druck, am Halsband festgehalten und von anderen Hunden (unseren) umringt, hat Emmett nur versucht wegzukommen, zu keinem Zeitpunkt war Aggressivität zu erkennen oder die Absicht, sich durch Beißen der Situation zu entziehen. Im Gegenteil, Birgit beurteilt Emmett als überaus freundlich, zärtlich und liebenswürdig. Was Emmett fehlt, ist (ich habe es schon angedeutet) eine ruhige, konsequente und konsistente Führung.

Emmett ist absolut kein Held (typisch Kooiker), sondern eher vorsichtig. Trifft er auf etwas Unbekanntes, wird er eine Distanzvergrößerung suchen, was bei Hund/Wolf darauf hinausläuft, dass er so groß und laut und (hier darf man das Wort verwenden) aggressiv wie möglich erscheint. Wenn man das nicht möchte, sollte man seinem Hund Sicherheit bieten und ein echter „Führer“ sein. Was nicht hilft ist Lautstärke, komische Hilfsmittel wie Haltis oder Schlimmeres oder womöglich noch eine chemische oder chirurgische Kastration. Nimmt man einem unsicheren Rüden auch noch das Testosteron, wird er noch ängstlicher sein und noch schneller die oben beschriebenen Maßnahmen ergreifen.

Wenn man das Verhalten seines Hundes ändern möchte, sollte man die Fehler bei sich selber suchen, nicht beim Hund. Und ein Tierarzt sollte kranke Hunde heilen und gute Tipps zur Gesunderhaltung haben. Kastrationen zur Verhaltensänderung oder zur Vermeidung ungewollter Trächtigkeiten sind in Deutschland strafbar. Auch die deutschen Tierschutzvereine sollten dieses bedenken.

Ich frage mich, wann der erste Ehemann, der monatlichen Stimmungsschwankungen überdrüssig, vom Frauenarzt die Kastration der Ehefrau verlangt, oder wann Ehefrau, genervt von Ehemanns ewiger Meckerei über andere Autofahrer, um eben diese Lösung bittet. Und den aufsässigen, pubertierenden, sechzehnjährigen Sohn, kastrieren wir gleich mit.

So, nachdem ich jetzt ein wenig meiner eigenen Aggressivität aus mir herausgeschrieben habe, ist auch mein Kopfschüttel-Modus auf einem so niedrigen Level angelangt, dass ich mir keine Sorgen mehr um meine Halswirbel machen muss. Die waren das letzte Mal vor 26 Jahren derartig belastet, da hat mir eine junge Dame nämlich derartig den Kopf verdreht, dass ich nicht mehr klar denken konnte. Sie hat übrigens in 25 Jahren Ehe nicht einmal verlangt, dass ich mir die Ei…

… jeijei, jetzt bin ich schon wieder bei dem Thema. Dabei wollte ich doch eigentlich beschreiben, was Emmett für ein toller, verschmuster und süßer Schatz ist. Das findet inzwischen sogar seine überaus skeptische Halbschwester. Wenn sie nämlich nicht irgendwo anderweitig beschäftigt ist oder Emmett gerade mal wieder anranzen muss, leckt sie ihm schon mal zärtlich die Öhrchen aus, putzt ihn am Kopf und findet ihn irgendwie gut.

Also stelle ich fest, dass Emmet ungefähr so aggressiv ist wie ein Wattebausch. Aber ich möchte an dieser Stelle auch nochmal ganz klar festhalten, dass der Kooiker kein Anfängerhund ist. Der Kooiker wurde über Jahrhunderte dazu gezüchtet, mit einem Menschen auf engstem Raum zusammen zu arbeiten und zu leben. Und deshalb braucht der Kooiker auch etwas zu tun und zwar etwas, dass auch den Kopf anstrengt. Wer glaubt, er könne seinen Kooiker (und viele andere Hunde auch), nur körperlich auslasten, begeht einen großen Fehler. Er trainiert seinen Hund so, dass dieser immer mehr körperlich zu leisten in der Lage ist. Wenn man dann noch den üblen Fehler begeht, Gegenstände, wie Bälle oder Frisbees zu werfen, dann haben wir nach wenigen Monaten einen körperlich topfitten Hund, mit viel Kraft und Ausdauer, der außerdem noch allem hinterherjagt, was sich irgendwie bewegt. Viel Spaß wünsche ich bei dem Versuch, diesen Hund draußen an der Leine kontrollieren zu wollen.

Wenn Menschen einem Hund und den damit verbundenen Aufgaben nicht gewachsen sind, dann dürfen sie dieses zugeben. Es zeugt von einer gewissen Größe, sich dieses einzugestehen und zu versuchen, den Hund in ein geeigneteres Zuhause zu vermitteln. Dem Hund die Schuld zu geben, ihn aggressiv zu nennen oder zu behaupten, man habe alles getan, aber der Hund wolle sich nicht ändern, ist allerdings nicht hilfreich und zeugt auch nicht von Größe. Hunde sind sehr soziale Tiere, die auch in einem komplexen sozialen Umfeld gut funktionieren können. Der Fehler liegt also nicht beim Hund, sondern bei uns Menschen.

So, ich stecke jetzt meinen moralischen Zeigefinger mal wieder ein und begebe mich auf den Fußboden, um mit unseren diversen Kooikern zu kuscheln. Mehr über Emmett und unsere Vorstellungen, wie es mit ihm weitergehen könnte, findet Ihr auf seiner Seite.

Bleibt uns gewogen, Danke für’s Lesen und bis bald,

Salli

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